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Kleines Lexikon der Innenarchitektur

Modellbau

Von allen Seiten gut anzusehen …

Mit einem Raummodell lassen sich komplexe Raumzusammenhänge einfach ablesen und Entwurfsideen anschaulich vermitteln.

… Und was geschieht hinter dem Raumteiler? Wie schließt der dort vorgesehene Arbeitsplatz an die Trennwand an? Ist der Bereich überhaupt groß genug, oder wird die Situation mit dem Schreibtisch zu eng? …

Was der erfahrene Innenarchitekt aus dem Grundriss ablesen und mit den ihm bekannten Parametern zu Raumhöhe und Lichtsituation gedanklich erfassen und beurteilen kann, ist für den Laien nicht so ohne weiteres nachvollziehbar. Während der Planer den zu gestaltenden Raum klar vor seinem geistigen Auge sieht und auch ein Raumgefühl dafür entwickeln kann, hat der Laie oft bereits Mühe, den Grundriss richtig zu deuten. Um diesen hinsichtlich des Raumvolumens bewerten zu können, bedarf es eines räumlichen Vorstellungsvermögens, welches nur wenige Menschen mitbringen.

Zweidimensionale Zeichnungen von Räumen wie Grundriss und Ansichten vermitteln lediglich einen Teileindruck von der Situation, weil gezeigte Gegenstände bei dieser Darstellungsart immer nur genau senkrecht abgebildet werden – eine Wahrnehmung, wie sie aber in der Realität nicht vorkommt. Ein Gegenstand wird von seinem Betrachter immer gleichzeitig auch von der Seite bewertet, also räumlich gesehen … es kommt also die dritte Dimension dazu. In Zeichnungen bedient man sich der perspektivischen Darstellung, um diese Information einfließen zu lassen. Dadurch kann in der Regel ein guter Eindruck von einer Raumsituation vermittelt werden.

Allerdings wird durch die Perspektivzeichnung immer nur ein einzelner Raumausschnitt aus einem ganz bestimmten Blickwinkel sichtbar. Was auf der Betrachterseite passiert, wird nicht gezeigt. Auch bleibt in der Darstellung durch die optische Verkürzung von Maßen in der Raumtiefe eine genaue Einschätzung von Proportionen ungenau.

Abhilfe kann ein Modell schaffen: Durch die Darstellung als gebaute Miniatur wird ein sehr realer Eindruck vom Raum und seinen Zusammenhängen vermittelt, weil dieser von allen Seiten und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Es gehen keine Informationen hinter Trennwänden verloren, vielmehr kann man hinter die Raumbegrenzungen schauen.

Modelle kommen für verschiedene Zwecke zum Einsatz. Als Arbeitsmodell können sie bereits den Entwurfsprozess begleiten. Mit ganz einfachen Materialien wie Pappe und ohne jeden Anspruch auf Exaktheit wird das Arbeitsmodell sporadisch zusammengeklebt und entsprechend dem Planungs- und Ideenverlauf immer wieder angepasst, sprich „zurechtgeschnitten“ und ergänzt. Dabei kommt es nicht auf Schönheit an, sondern darauf, einen Entwurfsgedanken schnell überprüfen zu können, um ihn entweder weiter zu verfolgen oder schnell wieder zu verwerfen.

Aufwändiger ist das Vorgehen, wenn das Modell als Präsentationsmodell zum Einsatz kommt. In diesem Fall ist der Entwurf vollständig abgeschlossen, und es geht nun darum, die Ideen den Bauherren oder späteren Nutzern klar und verständlich zu vermitteln. Auch soll zur Entscheidungsfindung eine Begeisterung für den Entwurf entfacht werden, daher werden diese Modelle in aufwändiger Kleinarbeit sehr detailliert erstellt.

Mit Modellen lassen sich ganze Gebäude, Wohnungen, Räume oder auch nur einzelne Möbel und Einbauten darstellen. Je nach Objekt wird hierzu ein Maßstab festgelegt, der das Ziel der Darstellung unterstützt: Architekturmodelle von großen Gebäuden werden in den kleinen Maßstäben z.B. 1:500 bis 1:100 entwickelt. Innenraummodelle starten beim Verhältnis 1:100 und gehen über die Dimensionen 1:50 und 1:33 bis hin zur Darstellung im großen Format 1:25 und 1:20.

Wichtig ist dabei, dass der Maßstab an die zur Verfügung stehenden Informationen angepasst ist, d.h. der Maßstab sollte so groß gewählt werden, dass Einzelheiten mit einem guten Abstraktionsgrad erkennbar sind. Wird das Verhältnis sehr groß gewählt, z.B. 1:20, kann der Eindruck einer Puppenstube entstehen, weil sehr detailliert gebaut werden müsste, um einen realistischen Eindruck zu erhalten. Oftmals stehen aber derart genaue Informationen zum Entwurfszeitpunkt noch gar nicht fest (Griffe am Schrank, Sockelhöhen, Fugenverläufe, etc. …). Für Einzelmöbel wiederum ist ein großer Maßstab, z.B. 1:10 und größer angebracht, weil hier die Details in der Regel feststehen, da sie entwurfsrelevant sind.

Damit ein Raum richtig eingeschätzt werden kann, empfiehlt es sich bei jeder Modellgröße, Personen als Maßstabsfiguren mit darzustellen, erst dann erhält man eine realistische Idee, … der Mensch als Maß der Dinge.

Auch in ihrer Farb- und Materialbeschaffenheit können Modelle unterschiedlich ausgebildet werden, je nachdem, was sie aussagen sollen: z.B. ausschließlich mit weißen Materialien erstellt, soll der Fokus vom einzelnen Material weggelenkt und eher Richtung Raumvolumen gesetzt werden. Die Modellausbildung mit unterschiedlichen Materialien kann das Farb- und Materialkonzept des Raumes andeuten, wenn es die Aussage des Entwurfes widerspiegelt.

Ein weiterer Nutzen eines Modells liegt in der Möglichkeit, Lichtsituationen zu simulieren. Hierbei werden Beleuchtungen mit natürlichem und künstlichem Licht nachempfunden und die Raumwirkung überprüft. In professionellen Lichtlaboren werden zusätzlich mit Endoskopkameras entsprechende Innenraumaufnahmen fotografiert.

Was seit jeher durch den manuellen Modellbau geleistet wurde, kann heutzutage auch durch virtuelle Raummodelle nachempfunden werden. Durch den Einsatz von modernen CAD-Programmen lassen sich im Rechner nicht real existierende Modelle bauen, die von allen Seiten betrachtet werden können und durch die der Betrachter mit einer Kamerafahrt hindurch laufen kann. Dabei ist es ebenfalls möglich, Lichtstimmungen zu simulieren. Durch die fotorealistische Darstellung mit Materialien, Schatten und Lichtreflexen werden Situationen fototechnisch dargestellt, die von real existierenden Räumen kaum zu unterscheiden sind. Solche Modelle, die einen relativ großen Programmierungsaufwand benötigen, und für die sehr viele Entwurfsinformationen vorliegen müssen, kommen in der Regel bei Großprojekten zum Einsatz, bei denen der klassische Modellbau zu aufwändig, kostspielig und ggf. auch zu wenig informativ wäre.

Natürlich lassen sich auch einfache Situationen virtuell darstellen. Häufig versprüht aber das manuell erstellte Modell mehr Charme, weil es einfach (an)fassbarer und realer ist … eben von allen Seiten gut anzusehen.