Grün, grün, grün sind alle meine Kleider …
Bunte Wände statt strahlendem Weiß? Oft wird das Zuhause unter völlig falschen Voraussetzungen gestrichen. Schon einfache Überlegungen können helfen, den richtigen Ton zu treffen!
„Ich möchte gerne irgendetwas mit Farbe machen!“ – ob Haus oder Wohnung, Eigentum oder Mietobjekt – jeder kennt das Gefühl. Drängt das traute Heim nach Veränderung, gehört Farbe zu den Favoriten. Der erste naheliegende Einfall lautet: „Ich streiche die Wände! Dann sieht es hier gleich frischer aus!“
Doch dieses „irgendetwas mit Farbe“ lässt sich meist schwer in die Realität umsetzen. Nicht jeder Farbton bringt gleich die erhoffte Frische oder wahlweise vielleicht auch die ersehnte Ruhe. Denn ganz so einfach verhält es sich mit der Wahl der richtigen Nuance meist nicht.
„Grün, grün, grün sind alle meine Kleider. Grün, grün, grün ist alles, was ich hab´“, heißt es in einem bekannten Kinderlied. Doch zwischen einem knackigen Apfelgrün und einem sanften Moosgrün liegen Welten. „Darum lieb´ ich alles was so grün ist, weil mein Schatz ein Jäger, Jäger ist …“ folgt der nächste Vers. Nun, der Berufswahl des Herzallerliebsten entsprechend, dürfte es sich wohl eher um eine dunklere Schattierung handeln. Doch so vielfältig die Möglichkeiten sind, sich grün zu kleiden, so viele Möglichkeiten offenbaren sich auch, die Wände grün zu streichen. Ein einfacher Blick auf einen Farbfächer aus dem Baumarkt wirft gleich hundert Fragen auf.
Während Menschen bei Blusen, Hemden, Krawatten, Tüchern, Schals oder Pullovern ihr Grün sehr bedacht wählen würden, werden beim Streichen der Wohnung oft übereilte Entscheidungen getroffen. Auch in zahlreichen Magazinen oder auf Internetseiten wird meist schnell mit Verallgemeinerungen aus der Farbpsychologie argumentiert. Rot wird Kraft zugeschrieben, Blau eher Ruhe. Doch auch hier gilt das gleiche wie bei Grün und allen anderen Farben: Ein feuriges Karminrot und ein edles Bordeaux wirken auf einer Wand völlig unterschiedlich. Zwei verschiedene Rottöne schaffen eine unterschiedliche Atmosphäre. Und auch der Unterschied zwischen einem kühlen Azur und einem tiefen Königsblau liegt eigentlich auf der Hand.
Jeder Raum muss auf seine eigene Beschaffenheit, auf seine Lichtverhältnisse, seine Möblierung und auch auf seinen Besitzer hin analysiert werden. Erst dann ist es möglich, ein passendes Farbkonzept zu erstellen.
Ein beliebter Fehler: Farben werden aus der Erinnerung heraus gekauft. „Ich habe das im Fernsehen gesehen“ oder „Mein Nachbar hat da so eine gelbe Vase“. Wie so oft im Leben trügt die Erinnerung jedoch auch hier. Prangt der Ton dann erst einmal an der Wand, ist die Enttäuschung groß. Denn die Farbe strahlt ganz anders, als bei dem vermeintlichen Vorbild.
Hier hilft dem Laien ein kleiner Probeanstrich. Dank moderner Farbsysteme wie Sikkens oder NCS lassen sich sehr viele Nuancen im Baumarkt anmischen. Tipp: Jeweils die kleinste erhältliche Einheit der in Frage kommenden Töne mitnehmen und je eine Teilfläche auf der gewünschten Wand damit streichen, um die Wirkung im Raum zu erkennen. Später, wenn die Entscheidung gefallen ist, lassen sich die diversen Farbproben mit Weiß abdecken und dann spielend übermalern. Diese Methode ist natürlich mit Aufwand und Kosten verbunden, und das betreffende Zimmer sieht einige Tage etwas gescheckt aus – aber auf lange Sicht lohnt sich der Aufwand.
Allerdings ist es für viele Laien dann immer noch sehr schwierig, den Probeanstrich zu deuten. Jede Farbe wirkt auf einer großen Fläche anders als auf einer kleinen, denn auch die Beschaffenheit der Wand, das Antrocknen und die Lichtverhältnisse auf der gesamten Fläche führen meist zu einem völlig anderen Ton. Hier bedarf es Übung und fachmännischer Vorstellungskraft, um genau den gewünschten Farbton zu treffen. Sonst wird leicht eine zu kräftige Signalfarbe ausgesucht. Denn generell sollten Farben für den persönlichen Lebensraum nicht zu grell, sondern eher natürlich wirken. Werden Wände in allzu schreienden Gelbtönen oder knalligem Rot gestrichen, springen sie förmlich auf den Betrachter zu. Gerade in kleinen Räumen verfehlt der Anstrich dann oft seine erwünschte Wirkung, schießt übers Ziel hinaus und lässt den Raum noch kleiner wirken. Grau-Blau kann hier zu einem viel angenehmeren Ergebnis führen und den Raum vergrößern. Das wussten bereits die Maler der Renaissance, die mit derartigen Tönen in ihren Gemälden den Horizont andeuteten und somit eine Perspektive und die nötige Tiefe schufen.
Es ist auch eine Überlegung wert, nicht gleich eine ganze Wand in Farbe zu tauchen. Die Farbe soll schließlich Akzente setzen. Das gesamte Gemäuer einfach deckend zu streichen, kann dagegen eher langweilig wirken. Hier reichen manchmal schon einige Ornamente, Kreise oder Linien, vielleicht auch einige Quadrate, die sich auf verschiedenen Wänden oder vielleicht sogar in den Formen der Möbel wiederfinden.
Selbst wenn die Wand wirklich flächig gestrichen werden soll, ist zu überlegen, ob nicht nur ein gewisser Teil ausreicht. Was spricht dagegen, einen Raum nur bis auf Fensterhöhe zu streichen? Die Fensterbank bildet einen hervorragenden Abschluss. Oder die Höhe wird von einem Türrahmen oder einem Regal bestimmt, das sich in diesem Raum befindet und somit eine Referenzgröße bildet.
Vielleicht genügt es auch, nur die Fläche hinter dem Sofa oder dem Bett zu streichen? Diese fasst dann das Möbelstück ein und definiert dessen Platz neu. Auch hier sind die Varianten zahlreich: Zur Decke hin kann sich ein weißer Rand absetzen. Oder die Farbfläche kann wie ein Winkel von Wand zu Wand oder von der Wand in die Decke übergehen. Mit Hilfe eines gleichfarbigen Teppichs kann solch ein Winkel auch von der gestrichenen Wand und dem Fußboden gebildet werden. Dadurch wird der Raum völlig neu aufgeteilt, denn durch diese Farbwinkel erhalten Raumzonen eine Art Klammer.
Viele sind sich dieser Möglichkeiten gar nicht bewusst. Meist teilt sich die Menschheit in zwei Gruppen. Zuerst kommen die Liebhaber der großen Weiße: Minimalistisch, pur, weiß, edel. Auch ihnen können kleinere Farbflächen helfen, ihr Zuhause völlig neu zu gestalten, ohne dass die Augen dabei förmlich geblendet werden. Die zweite Gruppierung wird durch die Farb-Fans gebildet. Sie streichen am liebsten den gesamten Raum oder den ganzen Flur. Auch für die Anhänger dieses Credos genügen ausgesuchte Farbflächen, um den Raum sichtbar zu verändern – ohne dass es karg wirkt. Denn wie immer sind Stereotypen viel interessanter, wenn sie sich auflösen. Schließlich will ja auch niemand eine Garderobe tragen, die nur aus Grün, grün, grün besteht …?